Ich hatte mir neue Acrylfarben gekauft. Die Flasche mit gebrannter Siena zog mich in ihren Bann. Mit dieser Farbe wollte ich beginnen. Ein goldig-warmer Braunton füllte die ersten Flächen, die ich heller und dunkler abschattierte. Doch plötzlich stockte ich und wusste nicht mehr weiter. Ich fand keinen dazu passenden Farbton. Rottöne waren mir zu warm, grün zu dumpf. Also ließ ich die Arbeit liegen und verließ mit einem Stoßgebet mein Atelier, ich wollte schließlich noch zu einer Sonderführung in die Albertina fahren. Das würde mir Abstand geben und vielleicht käme danach die richtige Inspiration.
Als ich endlich nach einstündiger Fahrt dort ankam, teilte man mir mit, dass die Führung abgesagt wäre, aber ich könnte ja stattdessen die Prunkräume besichtigen. Zunächst war ich enttäuscht, nahm aber dann doch die Gelegenheit wahr, einmal nicht nur durch die Räume zu laufen, sondern auch die ausgestellten Bilder an den Wänden näher zu betrachten. Bereits im ersten Raum wartete die Überraschung auf mich: da hing Albrecht Dürers Blaurackenflügel, den ich schon öfters gesehen hatte: ein feines Aquarell in wunderbar abschattierten Braun- und Blautönen, deren Intensität mich plötzlich direkt ansprach. Da hatte ich meine Antwort. Blau war die Farbe, die ich für mein Bild als Ergänzung zur gebrannten Siena verwenden sollte! Im Gefieder des Vogels, der zwischen Himmel und Erde schwebt, fand ich auch die Entsprechung zu den bereits in meinem Bild angelegten Formen, die ich unbewusst wie stilisierte Federn gestaltet hatte.
Das Bild habe ich dann formal streng gegliedert. Wenn da nicht meine Signatur in der rechten unteren Ecke wäre, würde der Betrachter vergeblich ein Oben und Unten suchen. Er könnte vielmehr den Eindruck gewinnen, es handelte sich um die Momentaufnahme eines in Rotation befindlichen Objektes. Mit der Farbe Braun bzw. dem leuchtenden Siena wollte ich ein Gefühl von Erdverbundenheit vermitteln, während das transparente Blau für Luft, Unendlichkeit und Himmel steht.
Diese beiden gegensätzlichen Elemente durchdringen einander in meinem Bild so wie auch der Geist alles Materielle inspiriert, und bewirkt, dass es Leben und Hoffnung gibt. Die Frage ist nur, inwieweit wir das zulassen…